Tschetschenien: «Die Menschen verschwinden»

  • In der autonomen Repub­lik Tschetsche­nien im Süden Rus­s­lands jagen offen­bar die Behör­den queere Men­schen.
  • Laut Zeitungs­bericht­en wur­den bish­er über 100 Men­schen ver­schleppt, min­destens drei wur­den getötet.
  • Die tschetschenis­che Regierung will von nichts wis­sen und wiegelt die Vor­würfe ab.
  • Das rus­sis­che LGBT-Net­zw­erk zeigt sich extrem besorgt. Jet­zt, wo das Leben der Men­schen bedro­ht sei, helfe nur die Aus­reise.
  • Kreml­sprech­er Dmitri Peskow erk­lärte, er habe zwar von den Bericht­en gehört, wisse aber nicht, inwieweit diese der Real­ität entsprechen wür­den.

In einem Inter­view mit «Echo Kauka­sus» hat der zum rus­sis­chen LGBT-Net­zw­erk gehörende queere Aktivist Igor Koschetkow die schreck­lichen Mel­dun­gen von über 100 Ver­schleppten und mehreren getöteten Per­so­n­en in Tschetsche­nien bestätigt.

Im von Queer.de auszugsweise veröf­fentlicht­en Inter­view sagte Igor Koschetkow:

Über die let­zten zwei Wochen haben wir Infor­ma­tio­nen von diversen unab­hängi­gen Quellen erhal­ten, dass es eine echte Kam­pagne in Tschetsche­nien gibt, Men­schen, die der Homo­sex­u­al­ität verdächtigt wer­den, zu fassen und zu ent­führen. Und diese Men­schen ver­schwinden, sie wer­den getötet.

Es seien zunächst Gerüchte gewe­sen. Und jet­zt kämen jeden Tag «mehr Beweise, dass das alles wahr ist».

… und ich kann bestäti­gen, dass die Kam­pagne tat­säch­lich durchge­führt wird. Es han­delt sich nicht um isolierte Tat­en, son­dern um ein Sys­tem. Die Men­schen sind in Gefahr.

Russische Oppositionspartei spricht von «Genozid»

Die rus­sis­che Oppo­si­tion­spartei Jabloko zeigte sich heute Son­ntagabend schock­iert. Mord sei ein «beson­ders schw­eres Ver­brechen». Und Mord auf­grund der Zuge­hörigkeit zu ein­er Min­der­heit sei «nichts anderes als ein Genozid», sagte Emil­ia Slabunowa, Vor­sitzende der Partei.

Egal, wie viele Men­schen getötet wer­den, das ist ein Ver­brechen gegen die Men­schheit.

Gle­ichzeit­ig forderte Emil­ia Slabunowa aus­ländis­che Staat­en auf, Men­schen, die durch «Bedin­gun­gen bedro­ht sind, in der ein Genozid tat­säch­lich möglich ist», bedin­gungs­los Asyl zu gewähren.

Update: «Wir wissen von nichts»

Auch zwei Tage nach Veröf­fentlichung der rus­sis­chen Tageszeitung «Novaya Gaze­ta» über die Ver­schlep­pung und Ermor­dung queer­er Men­schen in Tschetsche­nien ist die Lage unüber­sichtlich.

Kreml­sprech­er Dmitri Peskow erk­lärte, er habe zwar von den Bericht­en gehört, wisse aber nicht, inwieweit diese der Real­ität entsprechen wür­den. Das Innen­min­is­teri­um werde die Berichte prüfen.

Unter­dessen hat sich der Les­ben- und Schwu­len­ver­band Deutsch­land an den deutschen Bun­de­saussen­min­is­ter Sig­mar Gabriel gewandt. Die Poli­tik müsse alles in ihrer Macht ste­hende unternehmen, um die «bru­tale Ver­fol­gung sex­ueller Min­der­heit­en» in Tschetsche­nien zu stop­pen.