Trans Menschen sollen Geschlecht und Vornamen unbürokratisch ändern können

Der Bun­desrat legt heute einen Voren­twurf zur vere­in­facht­en Per­so­n­en­stand­sän­derung von trans Men­schen und Men­schen mit ein­er Geschlechtsvari­ante vor. Trans­gen­der Net­work Switzer­land TGNS begrüsst die grundle­gen­den Ziele der Vor­lage, die es ermöglichen soll, den amtlichen Geschlecht­sein­trag und den Vor­na­men selb­st­bes­timmt, das heisst ohne psy­chi­a­trische Gutacht­en und ohne medi­zinis­che Voraus­set­zun­gen ändern zu kön­nen, sieht aber auch klaren Verbesserungs­be­darf.

Wenn trans Men­schen den Geschlecht­sein­trag ihrer amtlichen Doku­mente ändern lassen möcht­en, müssen sie heute dafür vor Gericht gehen. In der Regel genügt es, ein schriftlich­es Gesuch und ein Schreiben ein­er Psychiater*in vorzule­gen, das die Tran­si­d­en­tität bestätigt. Seit einem Urteil des Europäis­chen Gericht­shofs für Men­schen­rechte von 2017 wird kein Nach­weis der Unfrucht­barkeit oder ander­er medi­zinis­ch­er Ein­griffe mehr ver­langt. Vor allem störend sind die von eini­gen Gericht­en durchge­führten per­sön­lichen Anhörun­gen und die Gericht­skosten im Rah­men von etwa 300 bis gut 1000 Franken, die für viele trans Men­schen eine ern­sthafte finanzielle Belas­tung darstellen. Mit der vom Bun­desrat angestrebten Änderung des Zivilge­set­zbuch­es soll kün­ftig hinge­gen eine ein­fache Erk­lärung vor dem Zivil­stand­samt aus­re­ichen. Hen­ry Hohmann, TGNS-Beauf­tragter für Poli­tik, sagt dazu: «Die aktuelle Prax­is stellt hohe Anforderun­gen für die Änderung des Geschlecht­santrags an trans Men­schen, die viele nicht alleine meis­tern kön­nen.»

Die Änderung des amtlichen Geschlechts und des Namens ist für trans Men­schen von gross­er All­t­agsrel­e­vanz. Denn erst damit kön­nen sie Doku­mente erhal­ten, die ihr Geschlecht kor­rekt wieder­spiegeln und sie nicht kon­stant dazu zwin­gen, sich als trans zu erken­nen zu geben. Solche Zwang­sout­ings sind nicht nur eine enorme psy­chis­che Belas­tung, sie erhöhen auch die Gefahr von Diskri­m­inierung und Gewalt.

Grundsätzlich positive Stossrichtung

TGNS befür­wortet die grund­sät­zliche Stoss­rich­tung des jet­zt veröf­fentlicht­en Voren­twur­fes, dessen Erläuterun­gen an den Forderun­gen der Res­o­lu­tion der Par­la­men­tarischen Ver­samm­lung des Europarates 2048 von 2015 und an den vor­bildlichen Geset­zen von Län­dern wie Mal­ta (2015), Irland (2015), Nor­we­gen (2016) oder Bel­gien (2018) anknüpfen. Dort genügt zur Per­so­n­en­standän­derung eine ein­fache Erk­lärung ohne weit­ere Voraus­set­zun­gen.

Nachbesserungsbedarf für echte Selbstbestimmung, Minderjährige und nicht-binäre Menschen

Der vom Bun­desrat heute unter­bre­it­ete Voren­twurf entspricht in eini­gen Punk­ten den langjähri­gen Forderun­gen von trans Organ­i­sa­tio­nen in der Schweiz, doch es beste­ht Nachbesserungs­be­darf im nun begonnen poli­tis­chen Prozess. Die drei offen­sichtlich kri­tis­chsten Punk­te der Vor­lage sind:

  • Die als Ziel genan­nte ein­fache Erk­lärung basierend auf der Selb­st­bes­tim­mung entspricht den men­schen­rechtlichen Stan­dards, zu denen sich die Schweiz verpflichtet, und ist zu begrüssen. Jedoch ver­ankert der Voren­twurf ger­ade nicht ein Ver­fahren, das auf Selb­st­bes­tim­mung beruht. Die Zivilstandsbeamt_innen, so der Bun­desrat, sollen den Spiel­raum erhal­ten, zusät­zliche Abklärun­gen vorzunehmen und beispiel­sweise ärztliche Zeug­nisse einzu­ver­lan­gen, oder gar allein auf­grund von «Zweifeln» Anträge zurück­zuweisen. Dies wider­spricht dem Gedanken der Selb­st­bes­tim­mung zutief­st, wird dadurch doch der Willkür der per­sön­lichen Anschau­ung der jew­eili­gen Beamt*in Tür und Tor geöffnet. TGNS emp­fiehlt daher unbe­d­ingt, sowohl ein tat­säch­lich auf Selb­st­bes­tim­mung beruhen­des Ver­fahren zu sta­tu­ieren, sowie die für diese Ver­fahren zuständi­gen Beamt*innen zur Trans- und Inter-The­matik zu schulen, damit sie ihrer ver­ant­wor­tungsvollen Auf­gabe gerecht wer­den kön­nen. Alecs Rech­er, Leit­er Rechts­ber­atung, kom­men­tiert: «Wirk­liche Selb­st­bes­tim­mung kann nicht von der per­sön­lichen Ein­schätzung ein­er Zivil­stands­beamtin oder eines Zivil­stands­beamten abhängig gemacht wer­den.»
  • Die eigentlichen Verlier*innen im Voren­twurf des Bun­desrates sind die Min­der­jähri­gen. TGNS ist bestürzt, dass die Rechtsstel­lung ger­ade dieser beson­ders ver­let­zlichen und durch die Kinder­rechte beson­ders geschützten Gruppe gegenüber heute ver­schlechtert wer­den soll. Bis­lang stellen urteils­fähige Min­der­jährige den Antrag auf Änderung des amtlichen Geschlechts und Namens selb­st. Für Urteil­sun­fähige kann die geset­zliche Vertre­tung die Änderun­gen beantra­gen. Diese Regelung hat sich bewährt, bringt in der Prax­is kein­er­lei Prob­leme mit sich und gilt im inter­na­tionalen Ver­gle­ich als beson­ders pos­i­tives Beispiel. Nach dem Willen des Bun­desrates dürften kün­ftig urteils­fähige Min­der­jährige einen Antrag auf Geschlecht­sän­derung nur noch mit Zus­tim­mung der geset­zlichen Vertre­tung stellen. Dies wäre ein deut­lich­er Rückschritt.
  • Der Bun­desrat schlägt expliz­it vor, bei einem rein binären Sys­tem, der Begren­zung auf die zwei amtlichen Geschlechter «weib­lich» und «männlich» zu bleiben. Für Men­schen, die sich in diesen gängi­gen Geschlechterkat­e­gorien nicht wiederfind­en – was etwa die Hälfte aller trans Men­schen ist –, gäbe es damit weit­er­hin keine rechtliche Anerken­nung. TGNS fordert daher, dass im Rah­men dieses Geset­zge­bung­sprozess­es auch das Bedürf­nis von Men­schen mit ein­er nicht-binären Geschlecht­si­den­tität, vor dem Staat zu existieren, ein­be­zo­gen wird und dies nicht weit­er auf die lange Bank geschoben wird.

Ste­fanie Het­jens, Präsi­dentin TGNS, fasst zusam­men: «Bere­its auf den ersten Blick sticht her­vor, dass Nachbesserungs­be­darf beste­ht: für eine tat­säch­liche Selb­st­bes­tim­mung, bei dem zu schützen­den Kindeswohl und der Öff­nung auf mehr als zwei Geschlechter.»

Beson­ders pos­i­tiv stechen hinge­gen die vorgeschla­ge­nen Regelun­gen zum inter­na­tionalen Pri­va­trecht her­vor. Ins­beson­dere Auslandschweizer*innen wer­den davon prof­i­tieren kön­nen, wenn sie kün­ftig die Änderung entwed­er im Wohn­sitzs­taat nach dor­tigem Recht oder in ihrem Schweiz­er Heimatkan­ton nach ZGB vornehmen kön­nen.

TGNS wird den Voren­twurf genauer analysieren und eine detail­lierte Vernehm­las­sung pub­lizieren und ein­re­ichen.

Weiterer Handlungsbedarf

Der Bun­desrat will mit dem heute vorgestell­ten Voren­twurf die Änderung von Name und amtlichem Geschlecht ein­er geset­zlichen Regelung zuführen. Während diese Änderun­gen für viele trans Men­schen wichtig sind, darf aber nicht vergessen gehen, dass ver­schiedene weit­ere Prob­leme beste­hen, wie beispiel­sweise im Kranken­ver­sicherungsrecht. TGNS erwartet vom Bun­desrat, dass er sich der zahlre­ichen weit­eren Schwierigkeit­en, mit denen trans Men­schen kon­fron­tiert wer­den, zeit­nah annimmt.

Gemäss ein­er Medi­en­mit­teilung