Offenbar über 100 Schwule in Tschetschenien von Sicherheitskräften verschleppt

Nach Mel­dun­gen von Queer.de unter Beru­fung der rus­sis­chen Zeitung «Novaya Gaze­ta» sollen in Tschetsche­nien über 100 Men­schen wegen ange­blich­er Homo­sex­u­al­ität von Sicher­heit­skräften ver­haftet und gefoltert wor­den sein. Min­destens drei Per­so­n­en seien dabei getötet wor­den.

Wie die Jour­nal­istin Ele­na Milashina in einem Artikel schreibt, erre­iche die Zeitung seit ein­er Woche Berichte über Massen­ver­haf­tun­gen, die in der Zwis­chen­zeit aus ver­schieden­sten Quellen bestätigt wor­den seien. Auch die Namen der drei Toten seien der Zeitung bekan­nt – laut Quellen gebe es aber erhe­blich mehr Opfer.

Die Jour­nal­istin schreibt weit­er, dass die Opfer der Ver­fol­gung «kaum Chan­cen auf ein Über­leben» hät­ten, da sich viele Fam­i­lien nicht trauen wür­den, sich bei den Behör­den über die Ver­haf­tun­gen zu beschw­eren – und das Ver­schwinden ihrer Ange­höri­gen lieber «totschweigen». In ein­er Region Tschetsche­niens, in der es zu Ehren­morde komme, kön­nte den Män­nern bei ein­er Ent­las­sung gar Gewalt durch die eigene Fam­i­lie dro­hen.

Demen­tis aus Tschetsche­nien tönen eher wie Bestä­ti­gun­gen der bru­tal­en Ver­haf­tun­gen. So sagte ein Sprech­er des Präsi­den­ten, dass die Berichte «absolute Lügen und Desin­for­ma­tio­nen» seien – und ergänzt:

Du kannst keine Per­so­n­en ver­haften oder unter­drück­en, die in der Repub­lik nicht existieren. Falls solche Men­schen in Tschetsche­nien existieren wür­den, hät­ten ihre Ver­wandten sie zu einem Ort geschickt, von dem sie nicht zurück­kehren kön­nen.

Heda Sara­tow vom Men­schen­recht­srat der Repub­lik äusserte sich ähn­lich. Sie habe «keine Berichte über die Ver­fol­gun­gen erhal­ten» — und meint:

Ich bin überzeugt, dass jed­er Men­sch in Tschetsche­nien, der Tra­di­tio­nen und sich selb­st achtet, alles tun wird, damit wir keine solchen Men­schen haben.

Verfolgungswelle «sehr ernst»

Auf Face­book schrieb heute Vor­mit­tag der grüne Bun­destagsab­ge­ord­nete Volk­er Beck, dass man die Ver­fol­gungswelle gegenüber queeren Men­schen in Tschetsche­nien «sehr ernst nehmen» müsse:

Falls ein Homo­sex­ueller auf­taucht wird durch Ermor­dung seine Nich­tex­is­tenz bewiesen.

Er habe sich deshalb heute an den Bun­de­saussen­min­is­ter und die Men­schen­rechts­beauf­tragte der Bun­desregierung gewandt, doch alles Mögliche für den Schutz der ver­fol­gten Homo­sex­uellen zu unternehmen. Die deutsche Bun­desregierung müsse den Ver­fol­gten eine Auf­nahme anbi­eten. Zudem müsse die Regierung gegenüber rus­sis­chen und tschetschenis­chen Stellen «ihre Besorg­nis über diese Entwick­lung deut­lich zum Aus­druck brin­gen».

Erklärung des russischen LGBT-Netzwerkes

In ein­er heute Nach­mit­tag veröf­fentlicht­en Erk­lärung zeigt sich das rus­sis­che LGBT-Net­zw­erk über die Ver­schlep­pung und Morde an queeren Men­schen in Tschetsche­nien besorgt. Empörend sei vor allem auch die Reak­tio­nen von Beamten: Keine nationale und/oder religiöse Tra­di­tion oder Norm könne die Ver­schlep­pung oder Ermor­dung eines Men­schen recht­fer­ti­gen.

Die Organ­i­sa­tion bemühe sich nun die Opfer zu kon­tak­tieren und bei der Flucht aus Tschetsche­nien zu helfen — eine Evakuierung sei die einzige Möglichkeit, den Men­schen wirk­lich helfen zu kön­nen.