Medienmitteilung von hab queer bern zur diesjährigen Pride in Zürich

Am Sam­stag find­et in Zürich im Rah­men der Zurich Pride die Demon­stra­tion statt. Knapp 20’000 Men­schen wer­den erwartet. Und auch Mit­glieder von hab queer bern wer­den mit­marschieren – um sich für die Würde und Frei­heit von LGBTIQ-Menschen einzuset­zen.

Die Demon­stra­tion durch die Zürcher Innen­stadt find­et in diesem Jahr in Erin­nerung an den Stonewall-Aufstand vor 50 Jahren statt. Es war in der Nacht vom 28. Juni 1969 gegen 1.20 Uhr. In der Bar «Stonewall Inn» in der Christo­pher Street in New York fand eine der damals üblichen und regelmäs­si­gen Razz­ien der Polizei statt. Per­son­alien wur­den aufgenom­men und Per­so­n­en, die mehr als drei Klei­dungsstücke des «anderen Geschlechts» tru­gen, kon­nten festgenom­men wer­den. Doch an diesem Abend wehrten sich die Gäste zunächst mit Beschimp­fun­gen und dem Wer­fen von Flaschen gegen die Polizei. Die vol­lkom­men über­raschte und zahlen­mäs­sig unter­legene Polizei zog sich in das «Stonewall Inn» zurück, ver­bar­rikadierte sich dort vor der aufge­bracht­en Menge, die mit­tler­weile auf der Strasse vor der Bar ran­dalierte, Bar­rikaden baute und ihrer jahre­lang aufges­taut­en Wut erst­mals Luft machte. Es entwick­elte sich eine dre­itägige Strassen­schlacht mit unzäh­li­gen Fes­t­nah­men, Ver­let­zten und Sach­schaden. Heute gilt der Stonewall-Aufstand als Beginn der mod­er­nen LGBT-Bewegung.

In der Schweiz fand zehn Jahre nach dem Stonewall-Aufstand und in Erin­nerung daran 1979 in Bern die erste nationale Demo statt. Sei­ther haben sich LGBT-Menschen viel erkämpft: Schwule und les­bis­che Paare kön­nen ihre Part­ner­schaften auf dem Standesamt reg­istri­eren lassen und bei trans Men­schen wurde bei ein­er Per­so­n­en­stand­sän­derung die Zwangsster­il­i­sa­tion abgeschafft.

Doch: In Sachen LGBTI-Rechte fiel die Schweiz im jährlichen Rank­ing der 49 europäis­chen Län­der in diesem Jahr vom Platz 22 auf den Platz 27 zurück. «Entschei­dend für die mit­telmäs­sige Platzierung sind», erk­lärt hab-Präsident Christoph Janser, «der man­gel­hafte Schutz gegen Diskri­m­inierung und Has­s­de­lik­te sowie der mas­siv unzulängliche Schutz von trans und intergeschlechtlichen Men­schen». «Deut­lich und tragisch wird dieser man­gel­hafte Schutz vor allem bei Einzelschick­salen – wie beispiel­sweise bei B.», ergänzt hab-Vizepräsidentin Petra Brom­bach­er.

Mobbing im Kirchgemeinderat

B. (der richtige Name ist hab queer bern bekan­nt) wurde als «offen» Schwuler in ein­er Kirchge­meinde im bernischen Ober­aar­gau in den Kirchge­mein­der­at gewählt – doch als Schwuler habe er in einem solchen Gremi­um nichts ver­loren. hab queer Bern liegt ein zwei­seit­iges Schreiben vor, in dem auf das Gröb­ste gegen den Mann gemobbt wird. Ein kurzes Beispiel: «Seine Neigung/sein Ver­lan­gen zu anderen Män­nern ist ein Aus­druck für ein Herz, das in erster Lin­ie an eine Nei­gung vergeben ist, die nicht Gottes Willen entspricht. … Er stellt sich sel­ber und seine Schwäche (bewusst?) an erste Stelle. Genau­so wie Habgi­er, Zorn, Eit­elkeit, Faul­heit, Lüge, Tratsch, Wut, Selb­st­sucht etc. auch solche Schwächen sein kön­nen.» B. gehöre nicht in den Kirchge­mein­der­at, die Bibel sei da sehr klar. «Wir kön­nen nicht das eine aus der Bibel für wahr erk­lären und anderes nicht, Homo­sex­u­al­ität hat in der Gemein­deleitung keinen Platz».

Dieser äusserst krasse Fall von Mob­bing und diese unhalt­bare Ausle­gung der Bibel haben B. in eine tiefe, psy­chis­che Krise geführt. hab queer bern hat deshalb den Syn­odal­rat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn mit einem Brief mit «dem Fall» kon­fron­tiert. «Entsprechend unser­er Tra­di­tion als offene Volks- und Lan­deskirche sehen wir eine zen­trale Auf­gabe darin, in Fra­gen des religiösen Lebens andere Auf­fas­sun­gen und Lebensweisen unter Beteiligten Ver­ständ­nis zu entwick­eln und bei Kon­flik­t­si­t­u­a­tio­nen im Dia­log gemein­sam geeignete Auswege zu suchen», schreibt der Syn­odal­rat im Antwortschreiben. «Kann die Aus­sage, dass ein gläu­biger Men­sch wegen sein­er sex­uellen Ori­en­tierung in einem Kirchge­mein­der­at nichts ver­loren habe, als eine ‹andere Auf­fas­sung› abge­tan wer­den?», fragt Ueli Zim­mer­mann von der Beratungs­gruppe von hab queer bern.

Im Antwortschreiben beeilt sich der Syn­odal­rat, «Vor­würfe ein­er homo­sex­uellen Diskri­m­inierung» zurück­zuweisen. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn kenne bere­its seit den 90er Jahren in ihrer Kirchenord­nung die Seg­nung gle­ichgeschlechtlich­er Part­ner­schaften. «Im Dien­ste der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn sind zudem ver­schieden­ste Per­sön­lichkeit­en tätig, die ihre gle­ichgeschlechtliche Ori­en­tierung beken­nen», schreibt der Syn­odal­rat weit­er. «Schön und gut, das nützt allerd­ings B. wenig – wird er doch trotz­dem bru­tal gemobbt», bemerkt Daniel Frey, der Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortlich­er von hab queer bern.

Hass ist keine Meinung!

Im Dezem­ber let­zten Jahres hat das Par­la­ment mit ein­er klaren Mehrheit der par­la­men­tarischen Ini­tia­tive «Kampf gegen die Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung» zuges­timmt. Damit hätte die Rassismus-Strafnorm mit dem Kri­teri­um «sex­uelle Ori­en­tierung» erweit­ert wer­den sollen. Die noch kurzfristig einge­brachte Erweiterung auf­grund der Geschlecht­si­den­tität hat das Par­la­ment bere­its bei Schlussab­stim­mung im Dezem­ber ver­wor­fen. Ger­ade auch für trans und intergeschlechtliche Men­schen ist der Schutz vor Hass wichtig. Für EDU und JSVP ist diese Geset­zesän­derung aber ein «ide­ol­o­gisch geprägter Angriff auf das freie Wort und die Mei­n­ungsvielfalt». Die bei­den Parteien ergrif­f­en das Ref­er­en­dum; voraus­sichtlich im Feb­ru­ar wer­den die Stimm­berechtigten an der Urne über die Umset­zung der Erweiterung der Rassismus-Strafnorm entschei­den müssen.

Die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm sei «ein schw­er­wiegen­der Angriff auf Men­schen, die der Gender-Ideologie und den Forderun­gen der Homosexuellen-Verbände auf der Basis christlich­er Ethik öffentlich ent­ge­gen­treten». Die nation­alkon­ser­v­a­tive Partei EDU befürchtet, dass kün­ftig alle Grup­pen ver­boten wer­den, die mit «Bezug auf das Evan­geli­um nicht der Mei­n­ung sind, dass Homo­sex­u­al­ität völ­lig nor­mal» sei.

«Ein­mal mehr frage ich mich, ob sich gewisse Kreise eigentlich bewusst sind, dass die sex­uelle Ori­en­tierung und die Geschlecht­si­den­tität nichts mit ein­er Ide­olo­gie oder Mod­eer­schei­n­ung zu tun hat», sagt hab-Präsident Christoph Janser. Mei­n­un­gen zu äussern und einen Stand­punkt zu vertreten, ste­ht jed­er Per­son frei – solange sie die Frei­heit und Würde ein­er anderen Per­son nicht beschnei­det oder ver­let­zt. «Und dafür müssen wir uns auch 50 Jahre nach dem Stonewall-Aufstand noch immer ein­set­zen».