Das Ende des Ursus Club vor 20 Jahren

Die Geschichte des Ursus Club begann 1964, als homo­sex­uelle Män­ner sich im Keller­raum an der Junkern­gasse 1 in fre­und­schaftlichem Rah­men regelmäs­sig trafen. Der Keller hat­te im Krieg als Luftschutzkeller gedi­ent, in den 1950er Jahren war es das Lokal des Jazz Clubs Hot House, wo laut Vere­ins-Chronik auch Louis Arm­strong aufge­treten ist.

Vere­in­szeitung des Ursus Club.

Der eigentlich Vere­in Ursus Club wurde 1968 gegründet, wobei jede Anspielung auf die Aus­rich­tung des Clubs tun­lichst ver­mieden — ver­mieden wer­den musste. Nach den Statuten ging es «um die Pflege der Kam­er­ad­schaft durch Zusammenkünfte und Vorträge». Gegen aussen wurde absolute Ver­schwiegen­heit bewahrt, es gab strenge Ein­trittskon­trollen und die Sit­ten­polizei hielt ein wach­sames Auge auf den Kellerein­gang.

Mit der Zeit begann sich zwar die gesellschaftliche Äch­tung abzubauen. Aber auch nach der Statuten­re­vi­sion von 1979 blieb der Vere­in zurückhaltend ein «Zusam­men­schluss Gle­ich­gesin­nter», der keine aktive Öffentlichkeit­sar­beit anstreben wollte.

Ver­schweigen liess sich aber Homo­sex­u­al­ität nicht mehr. Der Begriff «schwul» entwick­elte sich vom gesellschaftlichen Schimpf­wort zum selb­st­be­wusst gewählten Aus­druck des neuen Selb­stver­ständ­niss­es homo­sex­ueller Män­nern. Die Mit­gliederzahl des Vere­ins stieg gegen stolze 600. 1992 wur­den schliesslich sowohl die Räum­lichkeit­en wie der statu­tarische Auf­trag des Clubs aus- und umge­baut: Zulet­zt war der Ursus Club Bern ein­er der grössten Vere­in schwuler Män­ner und set­zte sich für soziale, gesellschaftliche und poli­tis­che Anliegen ein.

Der Keller mit Bar und Dis­co an der Junkern­gasse wollte immer als eine Art Freiraum ver­standen wer­den, in dem sich «Män­ner unter­schiedlich­sten Alters, aus allen möglichen Berufen und mit dur­chaus ver­schiede­nen Inter­essen, Weltan­schau­un­gen und poli­tis­chen Ansicht­en tre­f­fen kon­nten».

Nach einem grossen Fest zum 25. Beste­hen des Clubs Ende Novem­ber 1993 begann der Sink­flug der Insti­tu­tion Ursus Club. Die Besuch­er blieben aus — ein Freiraum, wie ihn der Club bot, war offen­sichtlich nicht mehr nötig. Das Lokal wurde verkauft und der Vere­in mit noch 345 Mit­gliedern im Juni 1997 aufgelöst.

Politschwestern vs. Kommerzschwestern

Über Jahre war das Ver­hält­nis zwis­chen dem Ursus Club und den HAB zwiespältig. Die «Politschwest­ern» der HAB lehn­ten die «Kom­merz­schwest­ern» vom Club ab — und umgekehrt. Tre­f­fend for­mulierte die WoZ im Okto­ber 1993 das Ver­hält­nis im Artikel «Den lieben Politschwest­ern zum Geburt­stag»:

In den Ursus Club gin­gen die Män­ner der HAB aus ide­ol­o­gis­chen Grün­den nicht, allen­falls heim­lich und mit noch mehr Kon­troll­blick­en als die andern, um beim Hinein­schle­ichen nicht von einem Bekan­nten der eige­nen Couleur erwis­cht zu wer­den. In Kreisen der HAB war der Club gle­ichbe­deu­tend mit Kom­merz und Syn­onym für «Aufriss», und das hat­te man als Politschwuler nicht nötig.

Aber: die Erfolge der HAB in der Öffentlichkeit waren offen­sichtlich — und der Ursus war und blieb ein gemütlich­er Tre­ff­punkt mit gutem Pro­gramm. Chro­nist Eras­mus Walser schrieb in der Broschüre «Unen­twegt emanzi­pa­torisch, Vere­ins­geschichte 20 Jahre HAB» aus dem Jahre 1992:

Liest man die HABin­fo der Jahre 1981 bis 1984 drängt sich der Ein­druck auf, man habe nicht bloss nach aussen agieren wollen […]. Die HABin­fo wurde zum Podi­um und Spiegel der Selb­ster­fahrung und Selb­st­darstel­lung in allen Facetten der schwulen Exis­tenz: das Ver­hält­nis zu den Frauen, die Ein­samkeit, Prob­leme der schwulen Iden­tität, die ver­schiede­nen Aspek­te der schwulen Kör­per­lichkeit, das Altern […], der Strich, Wohnen, Mil­itär, Gewalt gegen Schwule.

Ende des Kühlen Krieges

Im Sep­tem­ber 1992 berichtete Numero, die Vere­in­szeitung des Ursus Club (später unbe­nan­nt in Ursus Insid­er), unter dem Titel «Ursus Club und HAB: Ende des Kühlen Kriegs» über die Annäherung der bei­den Vere­ine:

Nach den bekan­nten Änderun­gen in der inter­na­tionalen Poli­tik der let­zten Jahre zeich­net sich nun auch in der Bern­er Gay-Szene ein Ende des Kühlen Kriegs zwis­chen HAB und Ursus Club ab. Zwis­chen bei­den Vere­inen hat bere­its seit einiger Zeit eine Annäherung stattge­fun­den.

Höhep­unkt dieser Zusam­me­nar­beit war die Zusam­men­le­gung von HABin­fo und Ursus Insid­er zu den BEgayNEWS mit der gayA­gen­da in der Heft­mitte. Es erschien allerd­ings nur ger­ade eine Aus­gabe im Novem­ber 1996. Ver­ant­wortlich für die Redak­tion zeich­neten damals von den HAB Ralf-Peter Brock­mann und vom Ursus Club Daniel Frey.

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